Pen and Paper

Ich erinnere mich noch genau, ich saß im Seminar in der Uni, als ich sie kennen lernte. Wir waren nicht viele Studierende und der Prof wollte eine Vorstellungsrunde starten – der Horror. Neben mir saß eine junger Mensch, schwarz angezogen, schwarze Locken, die Augen von dunklem Eyeliner umrahmt. Es waren in diesem Religionswissenschaftskurs tatsächlich relativ viele Gothic-Menschen und ich mochte das sehr. Nach und nach tröpfelten die Worte an meine Ohren und immer wieder wurde ein Hobby genannt: Pen and Paper. Aus diesem Seminar entwickelte sich eine Freundschaft zu eben jenem Wesen neben mir, die seit fast 20 Jahren anhält. Wir trafen uns wöchentlich, meistens bei A. und ihrem Freund (jetzigem Mann) und neben einer deutlichen Eingrenzung meiner Angst vor Ratten gaben mir diese Runden sehr sehr viel. Freude, Spaß, Lachen, unbeschwertes soziales Zusammensein mit Menschen.  Ich vermisse meine Rollenspielrunde hart.

Seit ein paar Wochen habe ich den Gedanken, selbst eine Runde zu starten, mit unseren Kindern. Die meisten klassischen Brettspiele mit Kindern gehen mir unsagbar auf den Geist, ich mag wirklich nicht 5 Runden Lotti Karotti und dann noch 4 Runden Max Mümmelmann spielen, vielen Dank. Nach einem kurzen Ausflug in die Escape-Room-Szene dachte ich, dass wir auch durchaus mal Pen and Paper ausprobieren könnten. Ich fragte herum, was denn ungefähr möglich sei mit zwei Kindern zwischen 5 und 9 und bekam tatsächlich ziemlich viele Vorschläge, vom klassischen Dungeon Crawler Lego Heroic bis zu komplexen Regelwerken wie DsA5. Das klassische DsA kenne und mag ich sehr, ist aber für die Kinder wirklich noch viel zu komplex und verwirrend. Bonusherausforderung: beide Kinder sind extrem willensstark, wegen des kleinen Kindes darf es nicht zu gruselig sein, für den Großen darf es nicht zu wenig Kämpfe geben und es darf nicht zu lange dauern, da weder die Kinder noch der chronisch kranke Ehemensch sich über eine Stunde am Stück konzentrieren können. Ich suchte und landete bei „So nicht Schurke“, einer wirklich sehr hübsch und liebevoll gemachten Einsteigerbox, die extra für Kinder ohne PnP Erfahrung gemacht wurde. So nicht Schurke führte uns nach Fabula, eine quietschbunte pastellige Welt voller Möglichkeiten, in der die Kinder einfach alles sein können, was sie wollen. Allein das Charakter erstellen (in der einfachsten Variante) dauerte bereits über eine Stunde – für DsA kenne ich diese Zeiten, aber von einem Kinderspiel war ich doch überrascht. Es ist faszinierend, wie unterschiedlich die Kinder agieren.

Das Gnöm hatte direkt eine komplette Hintergrundgeschichte für seinen Piraten im Kopf (mir wurde ein goldener Dudelsack gestohlen und den will ich wieder holen Mama!) während es dem Herbstzwerg vor allem darum ging, möglichst groß, stark und mächtig zu sein (ich bin ein Prinz. Einer, der gut kämpfen kann!). Unser erstes Abenteuer führte uns zu einer Bienenkönigin in ihrem halb-mechanischen Hummelzeppelin, deren bester Freund sich in einem Dungeon verlaufen hatte. Es dauerte, bis wir uns eingegroovt hatten und der Große wollte mehrfach abbrechen. Pen and Paper mit Kindern ist wild! Während der Kleine sich mit Feuereifer in soziale Herausforderungen stürzte, wollte der Große einfach nur kämpfen. Am Ende befreiten wir den Kumpel, sie bekamen eine Belohnung und das Abenteuer war zu Ende.

Es hinterließ einen schalen Beigeschmack bei mir. Ich möchte, dass die Kinder Spaß haben. Sie sollen sich entfalten dürfen, sie wollen würfeln, kämpfen, eigene Ideen einbringen. Es verlangt Anpassung, von allen: ich muss einen Spagat zwischen „das Gnöm nicht ängstigen“ und „genug Spannung für den Herbstzwerg“ schaffen, die Kinder müssen sich in dem Maße unterordnen, dass sie eben nur über ihre eigenen Charaktere bestimmen können. Unddamit ist vor allem der Große ziemlich überfordert, weil es eine gewisse Unsicherheit schafft. Nun ist das Spiel ja eigentlich ein guter Rahmen, um „Unsicherheiten aushalten“ zu üben, ohne dass etwas passieren kann. Aber dafür muss für das Kind auch der Rahmen stimmen – und dass tut er bei „so nicht Schurke“ leider nicht. Fabula ist einfach ZU bunt, ZU vielfältig, und bietet ZUVIELE Möglichkeiten. Sprechende Kegel, die Bälle auf einer Bowling Bahn geben, Kaugummi-Monster, aufblasbare Hämmer und Kissen als Nahkampfwaffen und Schurken aus Keksteig sind einfach zu abgedreht, die Tatsache, dass es Dinosaurier und Roboter zur gleichen Zeit geben zu unlogisch, als dass er sich darauf einlassen könnte. (Ich liebe die Ideen tatsächlich sehr, eben WEIL das Spiel dadurch sehr kindgerecht bleibt und sich die verrücktesten Ideen ergeben.)

Der Herbstzwerg wünscht sich eine handfeste Fantasy Welt, mit Wikingern, die sich mit Drachen anfreunden können, mit Hexen (Berg-, Land und Meerhexen Mama), mit Trollen, die man bekämnpfen kann und Rüstungen, die man sich selbst schmieden muss. Ein bisschen wie WoW, nur eben als Pen and Paper. Ich werde mich also mal weiter umsehen, ein passendes System hab ich vielleicht schon gefunden und dann hoffe ich auf viele Spielerunden mit der Familie, die eben nicht aus Lotti Karotti bestehen.

Ein Gedanke zu „Pen and Paper

  1. Ich finde es faszinierend, dass du es geschafft hast, dich da einzulesen. Ich wollte mit meinen Kindern Aborea starten. Weil eben beide schon Pen and Paper Erfahrung. Aber ich schaffe es einfach nicht, mich in das Regelwerk einzulesen, so dass auch was hängen bleibt. Dabei wollte ich so gerne, weil die eine Menge vorgefertigte Abenteuer haben, und es mir das ganze erleichtern würde. Naja. Wenn du es irgendwann mal versuchen willst sag Bescheid, ich habe das Start-Paket hier 🙂

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