Atmen

Ich werde davon wach, dass du in mein Bett kommst. Schlaftrunken rücke ich zur Seite.

Hände schieben sich unter mein Shirt, mein Herzschlag beschleunigt sich, ich verschränke meine Arme vor der Brust, presse die Oberarme an, um dir keinen Zugang zu gewähren. Du willst nur mal anfassen, ich weiß, aber ich lasse dich nicht. Ich döse noch einmal ein und werde wieder wach, nackte Haut presst sich an meinen Bauch, deine Hände schieben sich nach unten.

Ich atme. Ein. Aus. Ein. Aus. Im Kopf zähle ich mit, zähle die Atmenzüge, den Schmerz hinter meinem Brustbein. Ich schiebe deine Hände weg (freundlich, sei freundlich!) und bitte dich, dir eine Hose anzuziehen. Du lachst.

Das ist der Punkt, an dem meine Stimmung kippt. Mein Ton wird schärfer, das Wegschieben deiner Hände nachdrücklicher, ich versuche, Grenzen zu wahren, die du nicht erkennst. Stehe schlussendlich auf oder drohe abends damit, wegzugehen, dich allein zu lassen.

(Freundlich, sei freundlich!)

In mir ist alles auf Flucht gepolt. Alle schreien durcheinander. Fight, flight, freeze, von allem ein bisschen, darf’s noch etwas mehr sein?

Irgendwann reicht es mir. „Komm Bär, wir stehen auf.“ Deine kleine Hand schiebt sich in meine. „Wie hast du geschlafen?“ Du kuschelst dich an mich, lässt dich nach unten tragen.

Du bist erst 5 Jahre alt. Du weißt nicht, was du in mir auslöst, welche Trigger du Tag für Tag drückst, welche Erinnerungen du heraufbeschwörst mit deinem Handeln und welche Kämpfe ich ausfechte, um nicht in den Tätermodus zu fallen.

Du merkst nur, wenn ich den Kampf gewinne. Oder verliere. Denn dann verlieren wir beide, du und ich. Wir verlieren oft. Aber ich gebe nicht auf.

Atmen. Ein. Aus. Ein. Aus. Ein.

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